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Naturwissenschaftlich-biologisches Arbeiten am außerschulischen Lernort (Schul-)Garten
Kurze Historische Rückschau
Eine ganz frühe Beschreibung eines Gartens als einen Ort, den der Menschen zum Leben und Lernen nutzt, kann bereits in der Genesis der Bibel im ersten Buch Moses gesehen werden (1. Mose 2, 9). Bereits in der Antike und im Mittelalter soll es Gärten gegeben haben, die zur Unterweisung der Schüler genutzt wurden (Giest, 2015; Mozer, 1989; Winkel, 1997). Johann Amos Comenius, der als Begründer der Didaktik, insbesondere der Biologiedidaktik gilt, betonte bereits den Wert eines Gartens für die Schule (Comenius, 2018). Der erste real überlieferte Schulgarten geht auf August Hermann Francke zurück. Er ließ über die Franckesche Stiftung einen botanischen Garten mit Schulgarten anlegen (Wittkowske, 2012). Nach dem 2. Weltkrieg bleibt der Schulgarten im Rahmen des polytechnischen Unterrichts in der Deutschen Demokratischen Republik Bestandteil der Schule und der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. In der alten Bundesrepublik blieben nur wenige Schulgärten erhalten. Durch die allgemeine Ökologiebewegung und eine neue Werteordnung begünstigt, wird der Schulgarten ab den Anfängen der 1980er Jahre zum Ort der ökologischen Bildung und Erziehung.
Bildungswert des (Schul-)Gartens
"Prinzipiell kann jeder Ort ein Lernort sein, wenn er Möglichkeiten des Entdeckens, des Fragens, des Forschens und Erfahrens enthält“ (Brade & Dühlmeier, 2015 (aus Sicht der Sachunterrichtsdidaktik)) bzw. wenn es ein Ort ist, an dem „Kenntnisse erworben, Fertigkeiten erlernt sowie Fähigkeiten und Einstellungen entwickelt werden“ (Killermann, Hiering & Starosta, 2013, S. 93 (aus Sicht der Biologiefachdidaktik)) können. Der Schulgarten ist daher nur ein Beispiel für eine Vielzahl an potenziell möglichen außerschulischen Lernorten für den Unterricht, der Naturbegegnungen, Naturerfahrungen und Naturgestaltung ermöglicht (Giest, 2015), um ein ganzheitliches Lernen mit „Kopf, Herz und Hand“ auf kognitiver, affektiver und psychomotorisch-instrumenteller Persönlichkeitsdimension zu ermöglichen (Retzlaff-Fürst, 2013). Es ist daher durchaus gerechtfertig, davon auszugehen, dass der Schulgarten als Lernort „keine Fläche, sondern ein [Bildungs-]Raum“ (Jäkel & Wittkowske, 2015, S. 512) ist. Schulgärten sollten für die Ausgestaltung eines vielseitigen Biologieunterricht genutzt werden. Sie werden gegenwärtig eher den didaktische aufbereitete Lernorte zugeordnet (Mozer, 1989; Retzlaff-Fürst, 2013; Scharfenberg & Guder, 2013; Wilde, Retzlaff-Fürst, Scheersoi, Basten, & Groß, 2019; Winkel, 1997). Neben der Vermittlung „klassischem“ Fachwissens gehört auch die Förderung der Kompetenzbereiche Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Bewertung zum Bildungsverständnis eines Biologieunterrichts, der den Anforderungen an eine zeitgemäßen Bildung gerecht zu werden versucht. Bereits vor mehr als hundert Jahren kam Carl Gräber zu der Erkenntnis, dass "der Schulgarten [...] zu einem für jede Schule unentbehrlichen Hilfsmittel des naturwissenschaftlichen Unterrichts“ (Graeber, 1907, S. 1; Berck, 2018, S. 294) geworden ist. Der Schulgarten als Lernort ist prädestiniert dazu, naturwissenschaftlich zu arbeiten, denn in authentischen naturnahen Situation wenden „Schülerinnen und Schüler [...] spezifisch naturwissenschaftliche Arbeitsweisen“ (Scharfenberg & Guder, 2013, S. 2) wie bspw. „Beobachten, Untersuchen, Vergleichen, Experimentieren, Protokollieren und Zeichnen“ (Retzlaff-Fürst, 2013) an, um biologische Erkenntnisse zu gewinnen.
Empirische Befunde zum Lernen am außerschulischen Lernort (Schul-)Garten
Die Wirkung außerschulischer Lernangebote ist in internationaler (u. a. Rennie, 2007; 2014) und nationaler (u. a. Groß, 2007; Wilde et al., 2019) Perspektive Gegenstand verschiedener theoretischer und empirischer Arbeiten, aus denen teilweise Handlungsempfehlungen abgeleitet werden (u. a. Pütz, Wittkowske, & Weusmann, 2012; Wilde et al., 2019). Im Rahmen der internationalen Forschung zum außerschulischen Lernort Schulgarten sei an dieser Stelle auf die Arbeiten von Dorothy Blair (2009) und Dilafruz Williams und Scott Dixon (2013) verwiesen. Sie kommen in ihren Metastudien zu dem Ergebnis, dass sich praktischen Tätigseins am außerschulischen Lernort Schulgarten positiv u. a. auf die Leistung oder das Ernährungsverhalten auswirkt. Weitere internationale Studien verschiedener Nationen zur Wirkung von Schulgartenunterricht und -arbeit auf z. B. Sozialkompetenz, Motivation und ökologisches Lernen liegen ebenso vor (Pütz et al., 2012; Wilde et al., 2019). Für den deutschsprachigen Raum liegen, bezogen auf die Wirkung des Schulgartenunterrichts, „nur wenige regional begrenzte Studien mit wissenschaftlichem Anspruch vor“ (Gebauer, 2012, S. 79), hier sind im „deutschsprachigen Raum Forschungsdesiderate feststellbar“ (Jäkel & Wittkowske, 2015, S. 515). Vorhandene Studien beziehen sich überwiegend auf jüngere Schülerinnen und Schüler der Grundschulklassen und Orientierungsstufen (Klassenstufen 1 bis 6) (z. B. Benkowitz, 2013; Pollin; Queren, 2014), selten auf Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I (z. B. Pütz, 2012; Pütz, Schweer, Geissler, Thies, & Gerwinat, 2010). Häufig sind grundlegende Aspekte des Lehrens und Lernens (z. B. Motivation und Interesse) oder überfachliche Aufgaben (z. B. Wohlbefinden und soziale Kompetenz, Naturerfahrungen, affektives Lernen) Gegenstand der Untersuchungen. Sofern Wirkungen auf fachwissenschaftliche Aspekte des Sach- bzw. Biologieunterrichts erhoben werden, handelt es sich zumeist um Themen der Biodiversität und Nachhaltigkeit oder kognitive Aspekte. Unabhängig des inhaltlichen Schwerpunktes der jeweiligen Studien ist die nachhaltige Wirkung der Schulgartenarbeit auf „traditionelle“ biologische Themen (Pütz, 2012), ist ebenso wie die Wirkung auf das psychische Wohlbefinden belegt (Pollin & Retzlaff-Fürst, 2018; Retzlaff-Fürst, 2016 (Vorstudie mit Studierenden)) (Gebauer, 2012; Pütz et al., 2012; Wilde et al., 2019).
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Literaturverzeichnis
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